Dann trauten wir unseren Augen nicht. Als wir um eine große Biegung fuhren, versperrte uns eine neblige Wand die Sicht. Die Sonne
verschwand hinter dunklen Wolken. Von einem Augenblick auf den anderen begann es zu schneien.
Jürgen rief lachend,"Jetzt erleben wir mal einen kanadischen Winteranfang". Und auch ich musste lachen.Hatte ich doch mit so etwas schon gerechnet.
Nur gut, das wir unsere wasserdichten Überhosen an hatten. So konnte die Feuchtigkeit nicht durchdringen. Auch die Kälte war erträglich.Nur die Beine waren etwas steif gefroren,da man sie ja kaum bewegte beim paddeln. Doch ab und an mal am Ufer angelegt und die Beine vertreten und schon war
alles wieder in Ordnung. Wir waren ja hierher gekommen um einmal den Indian Summer zu erleben. Und erlebten dabei auch gleich den Kanadischen Winteranfang. Wir jedenfalls fanden es Spitze und nach einigen Minuten ließ die Schneeschauer auch wieder nach und die Sonne blinzelte durch die grauen Wolken. Jürgen rief leise und deutete nach oben.Und tatsächlich zog dort ein Weißkopfseeadler seine Kreise. Majestätisch und lautlos. Leider zu hoch, als das ich ihn hätte filmen können.
Der Fluss wurde jetzt etwas schmaler und man konnte trotz des leichten Nebels,der über dem Wasser hing, das Ufer gut erkennen.
Man sah an dem kiesigen Strand, wie hoch der Wasserstand im Frühjahr bei der Schneeschmelze sein musste. Es waren schätzungsweise 4-5 m, die der Strom anstieg. Gut zu erkennen,das Treibgut,das zwischen den Ästen der Bäume und Büsche hing. Nach einigen Kilometern hörten wir ein lautes Knacken und brechen von Ästen am Ufer. Wir ließen das Kanu langsamer fahren.Kurz darauf kamen vier Elche durch das Dickicht ans Ufer.Was für prächtige majestätische Tiere.
Ihre Schaufeln wirkten noch größer, als ich sie in Filmen und auf Fotos immer sah. Leider war aber doch die Strömung zu schnell, so das ich keine Zeit fand
meine Kamera herauszunehmen um das Schauspiel zu filmen. Die Elche schauten sich auch nur kurz um, entdeckten uns und verschwanden dann wieder krachend im Unterholz.
Schon längst hatten wir uns an das freie,wilde Leben gewöhnt. Tag für Tag, glitten wir auf dem endlosen Band des Yukon durch die Wildnis.
Wir genießen das freie, bunte Bild des Lagerlebens. Das knisternde Feuer. Den rußigen Kochtopf und Kaffeekessel. Und auch den allgegenwärtigen Geschmack von Rauch. Das Gefühl von Zeit, wird bestimmt durch Hunger und Müdigkeit. Nach starken Winden und Schneeschauern, recken wir uns hoffnungsvoll den
Sonnenstrahlen entgegen. Die Wechselwirkungen der Natur, haben hier oben im Norden, großen Einfluss auf unser Handeln. Denen wir uns jedoch gerne unterordnen. Fernab des Einundzwanzigsten Jahrhunderts, leben wir in unserer eigenen Welt. Das sich reduziert auf das Kanu, den Fluss und die geheimnisvolle Mauer der Wildnis.Die uns immer und überall umgibt.
Wir waren nun in ein weit verzweigtes Gebiet des Flusses gekommen. Viele Seitenarme machten das Durchkommen kompliziert und wir mussten
mehrmals die Karte herausholen um nach zusehen, wo es weiterging. Es konnte schnell passieren, das man in eine "Sackgasse" geriet, oder einen großen Umweg in Kauf nehmen musste. Wir wollten aber dem Hauptarm folgen und hatten vor,am späten Nachmittag nach einem geeigneten Lagerplatz Ausschau zu halten. Allerdings hatten wir diesmal kein Glück und fanden so schnell keine trockene Stelle am Ufer, um unsere Zelte aufzubauen. Überall war Schwemmland
und die Ufer waren zu dicht bewachsen. Also hielten wir uns an die linke Uferseite des Flusses, in der Hoffnung, hier ein gutes Plätzchen zu finden.
Doch die ganze Uferregion war steil und mit dichten Gebüsch bewachsen. Endlich entdeckten wir auf der anderen Seite des Flusses eine
Möglichkeit. Aber wie dahin kommen? Wer schon einmal auf einem Fluss gepaddelt ist, weiß wie stark die Strömung sein kann. Besonders dann, wenn ein Seitenarm des Flusses genau hier einmündet. Und kein Mensch käme normalerweise auf die Idee gegen den Strom anzukämpfen. Doch wir hatten keine andere Wahl, wollten wir nicht von der Dunkelheit überrascht werden. Langsam wurde nämlich es dämmerig und wir mussten unbedingt einen Lagerplatz finden.
Also blieb uns nichts anderes übrig, als auf die andere Seite des Flusses zu wechseln.
Nach einer kurzen Rast am schmalen Ufersaum, spuckten wir in die Hände und packten es an. Trotzdem wir schon sieben Stunden gepaddelt waren,nahmen wir noch einmal all unsere Kräfte zusammen. Mit kräftigen Paddel Schlägen kämpften wir gegen die Strömung an. Erst jetzt spürten wir,wie stark und schnell sie war. Sie riss uns mit und ich dachte, das wir das niemals schaffen würden. Wie wild kämpften wir uns vorwärts.Meine Arme fingen an zu schmerzen. Doch wir durften nicht nachlassen.
Gegenseitig trieben wir uns mit lauten Rufen vorwärts. Langsam kam das Ufer immer näher. Mit unbändiger Kraft, zog uns die Strömung mit sich.Fast wollte ich schon aufgeben. Noch zehn Meter...noch fünf Meter. Dann hatten wir es endlich geschafft. Mit letzter Kraft trieben wir das Kanu aus der Strömung, in ruhiges
Ufergewässer. Wir zogen das Kanu an Land und ließen uns erschöpft auf den steinigen Ufersaum fallen.
Wieder so ein Kraftakt, den wir bei unserem Flussabenteuer bewältigen mussten.
Naja,-ein reiner Erholungsurlaub war es ohnehin nicht. Sollte es auch gar nicht sein. Dann hätten wir uns auch an einen sonnigen Strand legen und den ganzen
Tag Sangria trinken können.
Später lachten wir im Schein des Feuers darüber, wie wir unseren letzten Lagerplatz auf der Tour so hart erkämpfen mussten. Doch das Erleben der Wildnis, die Freiheit und innere Zufriedenheit die man empfand, entschädigten uns für alles.
So wollten wir es haben!............